Dienstag, 9. Oktober 2012

Training für die Lachmuskeln: Der AHA-Effekt.

Lese gerade "Leitfaden für faule Eltern" von Tom Hodginson, Rowohlt Verlag, 2011. Ich finde das Buch in Teilen mühsam, da der Autor m. Mg. nach sich zu viel auf Lockes und Rousseaus Erziehungsideale aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert kapriziert, aber manchmal ist es wirklich recht kurzweilig und beruhigend. Und manchmal muss ich echt lachen.
So schreibt er im Kapitel 12. Ein Nein zu Familienausflügen:
"Es kann gar keine absurdere Erfindung der modernen Industriegesellschaft geben als den Familienausflug. Die ganze Woche hat man Stress bei der Arbeit, weil man anderer Leute Vorstellung von dem, was man zu sein hat, zu entsprechen versucht. Man ist müde, schlecht gelaunt und von Schuldgefühlen geplagt, weil man die eigenen Kinder kaum gesehen hat. Es ist an der Zeit, denkt man sich, den Kindern eine Freude zu machen, etwas zusammen zu unternehmen. Ich hab's! Jagen wir dem Spaß hinterher! Packen wir alle Mann ins Auto und gesellen uns zu den anderen verzweifelten Familien im Vergnügungspark. Da können wir jede Menge Geld aus dem fenster werfen und alles wird gut.
Der Ärger fängt schon mit dem unbeschreiblichen Theater an, alle aus dem Haus zu kriegen. In Vor-Kinder-Tagen bin ich einfach aus dem Haus spaziert. Heutzutage lässt sich das nicht mehr bewerkstelligen ohne vorher eine Stunde lang zu brüllen, nach verlorenen Socken und Schuhen zu suchen, zu keuchen und zu stöhnen und zu schreien und Firma Römer mitsamt ihren grausamen Erfindungen im Dienste der Sicherheit des Kindes zu verfluchen (Diese vermaledeiten Kindersitze mögen dazu geeignet sein, das Kind in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, aber zugleich verursachen sie erhebliche psychische Schäden beim Vater, ganz zu schweigen von den körperlichen Schmerzen bei dem Versuch, die Sicherheitsgurte einrasten zu lassen). Und dann gilt es noch diverse Spilsachen zu finden, ohne die die Kinder die Fahrt anscheinend unmöglich antreten können. Kürzlich haben wir den schrecklichen Fehler begangen, einen DVD-Spieler ins Auto einzubauen, weil wir hofften, die Kinder damit auf längeren Fahrten ruhigstellen zu können. Kann helfen, nehme ich an, aber das verfluchte Ding hat nicht ein Mal reibungslos funktioniert, und somit ist die unendliche Tortur, das Haus zu verlassen, um noch eine Aufgabe erweitert worden: das Gerät zum Laufen zu bringen. (Was gab es eigentlich  an Tagträumen und "Ich sehe was, was du nicht siehst" auszusetzen?)
Und dann geht die Hölle erst richtig los. Wir fahren Richtung Vergnügungspark. Die Kleinen streiten. "Lila hat mich geschlagen!" "Henry hat mich gebissen! Mit Absicht" "Arthur hat mir eine Kopfnuss verpasst!" Die drei sicher auf dem Rücksitz festgeschnallten Kinder fangen an, aufeinander einzuschlagen. Jedes Kind hat seine ganz eigene, einzigartig nervige Heulstimme entwickelt. Die von Delilah ähnelt einem anhaltenden Moskitosummen mit hilflosen Schluchzern zwischendurch, die sie augenscheinlich daran hindern, ihren Kummer in Worte zu fassen. Arthur heult, als würde die Welt gleich untergehen und alles ist so doll unfair und gemein. Henry gibt Geräusche von sich, auf die die Macher von der Erxorzist stolz gewesen wären, hätten sie sie in ihrem Film einsetzen können. Nun fangen Mutter und Vater an zu zetern. Mutter dreht sich nach hinten um und schreit: "Wie oft soll ich dir das noch sagen? Lass ihn in Ruhe!" Und Papa brüllt: "Genau, Arthur, noch ein Mal, und es gibt kein Eis. Ich meine es ernst."
Papa schaut angespannt in den Rückspiegel, um zu sehen, was da hinten vor sich geht. Einen kurzen Moment gratuliere ich mir dazu, nicht die Nerven verloren zu haben. Dann bricht es plötzlich aus mir heraus. Es kursieren geschichten, wie ich zum Berserker wurde, wie ich geflucht und vor Wut gegen die Windschutzscheibe geschlagen habe. Und wenn ich die Nerven verliere, nimmt Victoria das als Stichwort, ihre moralische Überlegenheit unter Beweis zu stellen und Sätze rauszuhauen wie: "Wir haben genug von dir", was mich noch mehr auf die Palme bringt, nur kann ich meine Wut nicht richtig zum Ausdruck bringen, weil alle in dieser wunderbaren Blechkiste eingesperrt sind."...
Das ist noch nicht alles zum Thema Familienausflug, den ich in dieser Form 1 zu 1 bereits mehrmal erleben durfte.
 Fortsetzung folgt.

1 Kommentar:

  1. Ich lese es auch gerade und finde es sehr amüsant, manchmal aber auch etwas überzogen... Müssen wir mal ausführlich bereden... ;-)

    AntwortenLöschen