Freitag, 12. April 2013

Lügen haben kurze Beine: Exakt 35 cm lang.

Unser Kleiner (4) war schon immer recht fantasievoll. Auf die Frage, woher das Matchboxauto stamme, welches ich direkt nach der Kita in seiner Hosentasche fand, erklärte er mir, er hätte es gekauft. "Aha," sagte ich, "ihr wart also mit der Kita im Spielzeuggeschäft?", was er vehement bejahte. Auf die Frage, woher er denn das Geld habe, kam die Erklärung, dass sie vorher in der Schweiz arbeiten waren (Anm.: Sein Papa arbeitet in der Schweiz) und dann direkt mit dem Zug zum Spielzeugladen gefahren seien, wo sich dann jedes Kind von seinem Arbeitslohn etwas hätte kaufen können. Innerlich laut schmunzelnd, erkläre ich ihm dennoch, dass er keinesfalls Spielzeug aus der Kita "klauen" dürfe. Das wisse er, so sagte er, sie hätten es aber gekauft, von eben dem Arbeitslohn aus der Schweiz. Ein wenig stolz berichtete ich am Abend dem Vater von der Geschichte und fügte hinzu, dass man ja wisse, dass Kinder mit dem 4. Lebensjahr auch die Fähigkeit zur Lüge entwickelten. Und dass Entwicklungspsychologen belegen, dass die Fähigkeit zu Lügen an die intellektuelle Entwicklung gekoppelt ist. Will heißen: Kann ein Zweijähriger schon lügen, darf dies als Zeichen früher Reife gelten. Kann ein Fünfjähriger es noch nicht, muss man ein besorgniserregendes Entwicklungsdefizit vermuten. Wer lügen kann, hat nämlich das Konzept der Wahrheit begriffen – die Voraussetzung dafür, dass man eine alternative Realität zu dem als wahr Erkannten entwerfen kann.
Der Stolz über unseren fantasiebegabten Sohnemann schwand aber mit der Zunahme seiner "Lügengeschichten". Nie war er schuld, immer die anderen. "Ich war es nicht" – daran wurde auch dann noch festgehalten, wenn es ganz offensichtlich nicht stimmen kann. Nie hat er zuerst geärgert, nie etwas weggenommen oder kaputtgemacht, nie etwas verbummelt, nichts verschüttet, nicht gekleckert. Selbst an der fürchterlichen Unordnung in seinem Zimmer, die unter rätselhaften Umständen jeden Nachmittag entsteht, wenn nur er sich darin aufhielt, trägt er keine Schuld. "Das waren die kleinen Monster" tönt es empört aus seinem Mund. "Welche Monster?" "Na, die drei, die immer alles durcheinander machen!" "Ach so", sagte ich und beschloss, ihn mit den eigenen Waffen zu schlagen. Als er am nächsten Tag aus der Kita kam, hatten die drei Monster wieder sein Zimmer verwüstet. Er war fürchterlich sauer, hatte er doch am Vorabend noch eigenhändig (mit Papas Hilfe) aufgeräumt. "Du warst das!" motzte er mich an. "Nein, das waren die drei Monster." "Stimmt gar nicht!" "Dooch! Willst du die Monster sehen?" Ein kleinlautes, zögerliches "Ja" war die Antwort.
"Komm, ich zeig sie dir, ich hab sie nämich fotografiert."

Das Beweisfoto: Das "Chaos-Infernale-Trio" nach getaner Arbeit.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen