Montag, 5. November 2012

Ich habe mich geärgert...

... über zwei Artikel im aktuellen Zeit-Magazin No. 45, deren Tenor größtenteil hält, was der Titel "Was machen Sie denn beruflich? Nichts. Ich bin Hausfrau." und "Die will doch nur spülen." verspricht.


Daher habe ich meinen ersten Leserbrief geschrieben:


Leserbrief
zu
Zeit Magazin No.45. E. Raether „Die will doch nur spülen.“ und „Arme Frau“.

Berufung Hausfrau oder ein Hoch auf die Erwerbsarbeit?

Die von Frau Raether aufgemachte Wertediskussion wirft für mich eine Reihe von Fragen auf: Ist Erwerbsarbeit (weil entlohnt) wirklich so viel mehr wert als Haus- und Familienarbeit (meist nicht entlohnt)?
Ist die (meist temporär getroffene) Entscheidung, sich eine Weile ausschließlich um Mann, Haus und Kinder zu kümmern, wirklich so Mitleid erregend und hoffnungslos überholt, wie Frau Raether es darstellt? Ist ein entlohntes, berufstätiges Kindermädchen bzw. Haushaltshilfe, die sich um fremde Kinder plus Haushalt kümmert mehr wert, als eine, die das Gleiche für die eigene Familie tut?
Welchen Wert hat welche Arbeit überhaupt?
Ist nur Lohnarbeit etwas wert? Ist nur wer „Wer“, der sich in Abhängigkeit eines Arbeitgebers befindet? Der/die sich z.B. als Friseur für 7 Euro die Stunde in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei seinem Arbeitgeber befindet? Und wahrscheinlich jederzeit gekündigt werden kann? Ist nur ein festangestellter Arbeitnehmer ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft?
Was ist mit all denen, die sich für einen Lebensentwurf jenseits eines festen Angestelltenverhältnisses entschieden haben? Künstler, Musiker, Schriftsteller, Selbständige, die ihre oft prekären Verhältnisse vielleicht gar nicht so schlimm finden? Handelt es sich bei diesen Menschen allesamt um „exotische Lebenskünstler“ wie S. von Regensburg, die im Artikel als einzige gerne Hausfrau und Mutter zu sein scheint? Die ihre finanzielle Abhängigkeit von ihrem Mann nicht schlimm findet, da „man (...) immer abhängig (ist) von den Menschen, die man liebt.“ Ist eine Abhängigkeit von einem launischen Arbeitgeber besser? Ist man dort unkündbarer als bei einer Scheidung? Gibt es Zahlen, wie viele Frauen durch Kündigung einen temporären wirtschaftlichen Abstieg verkraften müssen im Vergleich zu denen, die dasselbe durch eine Scheidung erleiden (s. Artikel „Arme Frau“)?
Liegt die negative Einstellung zur „Hausfrau“ (die übrigens nicht Nichts tut, wie der Titel und Teile des Artikels suggerieren, manche arbeiten gar als „Spülerinnen“, sogar in Festanstellung) an der ideologischen Aufladung durch verschiedene Lager im Zuge der letzten Jahrzehnte? Sollte man eher wie im Marketing von „Familienmanagerin“ sprechen?  Maiora Domus? Oder von multiplen Beschäftigungsverhältnissen (Haushälterin, Chauffeurin, Nachhilfelehrerein, Köchin, Caterer, Sozialarbeiterin, Wäschereifachangestellte, Psychologin etc.) ohne eigenes Gehalt? Freiwillig gewähltes Ehrenamt sozusagen?
Fragen über Fragen. Kann man sie, wie es Frau Raether teilweise tut, eindeutig beantworten? Ich kann es nicht.
Ach, eine letzte habe ich noch: Was ist mit der Hausangestellten eines wohlhabenden Bankmanagers? Jahrelang arbeitete sie in seinem Haushalt, kümmerte sich um alles, um Einkäufe, um seine Wäsche, ums Putzen und und und.
40 Stunden die Woche für 2000 Euro monatlich. Dann verliebten sich die beiden, sie zog bei ihm ein und sie heirateten. Sie bekam einen Ehemann und verlor ihr Gehalt. Ist sie damit weniger wert?

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