Donnerstag, 19. April 2012

Verbales Intensivtraining knapp unter der Belastungsgrenze

Einem Umzug quer durch die Republik, genauer von Berlin an den Bodensee, geschuldet wurde der Umstand, dass ich 3 Wochen (Osterferien +Umzug) in den Ganztagesgenuss beider Kinder kam. Aufgrund eines noch fehlenden Kitaplatzes hatte ich nach Osterferienende nur noch ein Kind (Junge, 4) ganztägig um mich herum.
Die bereits erwähnten 437 Fragen pro Tag (!) sind untertrieben! Es sind wahrscheinlich doppelt so viele. Plus Kommentare, plus Beobachtungen, plus Wutanfälle.
Wenn der kleine Herr morgens so gegen halb 7 wach wird, wird er es nicht langsam, sondern von jetzt auf gleich. Alle Funktionen sind sofort direkt eingeschaltet, zu 100%. Und das bleiben sie, bis er abends gegen 8 von einer erschöpften Mutter (natürlich gegen seinen Willen "bin gar niss müde!") genötigt wird, sich in den Off-Modus zu begeben. Dazwischen ein verbales Feuerwerk, das seinesgleichen sucht. Und wehe, man versucht, Äußerungen durch ein desinteressiertes "Mmmh" weitestgehend zu ignorieren, weil man vielleicht gerade nur den einen Artikel in der Bild-Zeitung (andere schafft man eh nicht) zu Ende lesen möchte, so hat das penetrantes Nachfragen ("Du machst immer nur "mmmh", das darfst Du nicht.") oder einen Wutanfall zur Folge.
Der Tag mit Junge besteht also zu nahezu 780 Minuten Reden, jede Äußerung eingeleitet mit einem fordernden "Mamaaa".
Ein kurzer Auszug gefällig? Gerne.
10.59 Uhr, 270 Minuten Verbal-Attacke liegen bereits hinter mir. Wir sind unterwegs. "Mamaa, guck mal, eine Kehrmaschine. "Mmmh." "Was macht die Kehrmaschine?" Die macht die Gullis sauber." "Warum?" "Weil die Gullis dreckig sind." "Warum bleibt die da stehen?" "Weil die da den Gulli saubermacht." "Mamaa, hier ist auch noch ein Gulli." "Mmmh." "Warum macht die den nicht sauber?" "Vielleicht später." "Mamaa, wo ist jetzt die Kehrmaschine?" "Da vorne." "Ah. und was macht die jeeetzt?" "Die fährt gleich zum nächsten Gulli." "Warum?" "Um den sauberzumachen." Plötzlich totales Gekreische. "Mamaa, was ist das?" "Eine Hummel." "Können Hummels stechen?" "Nein." "Was?" "Wie bitte." "Können Hummels stechen?" "Nein." "Warum nicht?" "Weil sie nicht stechen können." "Wo ist die Hummel jetzt?" "Weggeflogen." "Wohin?" "Weiß ich nicht." "Warum fliegen Hummels immer weg?" "Weiß ich nicht." "Warum weißt du das nicht?" "Weil ich es nicht weiß." "Aber Bienen können stechen?" "Ja." "Warum?" "Weil Bienen stechen können." "Aber Hummeln nicht?" "Nein." "Ja oder nein?" "Nein." "Mamaa, wo ist denn jetzt die Kehrmaschine?" "Weiß ich nicht." "Kommt die gleich wieder?" "Vielleicht." "Was?" "Wie bitte." Kommt die Kehrmaschine gleich wieder?" "Vielleicht." "Aber was macht die jetzt?" "WEiß ich nicht." "Vielleicht macht die den Gulli sauber?" "Vielleicht." "Aber wo ist der Gulli?"
30 Sek. Ruhe. "Mamaa, was macht die Polizei, wenn ich dem Mann einen Finger abhacke?" "Welchem Mann?" "Dem da. WAs macht dann die Polizei?" "Die schimpft." "Und was macht der Mann?" "Der fährt ins Krankenhaus." "Warum?" "Da näht man ihm den Finger wieder an." "Warum schimpft die Polizei, wenn ich ihm den Finger abhacke." "Weil man keine Finger abhacken darf." "Warum nicht?" "Weil das weh tut und blutet." "Und wo ist die Polizei?" "Weiß ich nicht." "Kommt die jetzt?" "Nein." "Warum nicht?" "Warum sollte sie kommen, hier ist doch gar nichts schlimmes." "Warum nicht?" "Weil hier nichts Schlimmes ist." "Mamaa, guck mal, was ist das?" "Ein Zebrastreifen." "Was?" "Wie bitte." "Wie bitte?" "Ein Zebrastreifen." "Warum sind da so Streifen auf der Straße?" "Damit da die eute über die Straße gehen können." "Warum?" "Weil die Autos da anhalten." "Warum?" "Dafür sind die Zebrastreifen". "Wer hat die gemalt?" "Bauarbeiter." "Nein, das machen keine Bauarbeiter, die bauen doch." "Ach so." "Wer hat das dann gemalt?" "Maler." "Aber du hast doch gesagt Bauarbeiter." "Mmmmh." "Wer denn jetzt, Bauarbeiter oder Maler?" "Beide." "Warum?" "Weil das so ist." "Warum ist das so?" "Weiß ich nicht." "Warum nicht?"
Ich möchte schreien. Zum Glück haben wir den Supermarkt erreicht. Zum Glück?
Und es ist erst zehn nach elf.
Aber ab Montag haben wir einen Kitaplatz.